Der Grenzübergang von Saudi-Arabien nach Jordanien verlief einigermassen geregelt und dauerte nur ca. 2 Stunden. Wir machten uns sogleich auf in die 20 km entfernte Stadt Akaba um uns mit den notwendigen Dingen wie SIM-Karten, Jordanischen Dinars, Esswaren und kühlem Blondem einzudecken (ok, Letzteres ist vielleicht nicht notwendig, aber erfreute unsere Kehlen nach der Saudischen Durststrecke😉). Im Vergleich zu den Saudischen Städten war in Akaba der Bär los. Es herrschte geschäftiges Treiben in den Strassen und Männer, Frauen und Kinder waren gemeinsam in Restaurants oder flanierend auf den Trottoirs anzutreffen. Ein erfrischendes und westlich anmutendes Bild, wie wir es seit Langem nicht mehr antrafen. Sicherlich hat dies auch damit zu tun, dass Jordanien, im Gegensatz zu den anderen Ländern der arabischen Halbinsel, keine nennenswerten Bodenschätze wie z.B. Öl auszubeuten hat. So setzt das Land seit Langem auf die Karte «Tourismus» und es reisen jährlich rund 2 Mio. Touristen durch dieses geschichtsträchtige Land. Die am gleichnamigen Golf liegende Küstenstadt Akaba und dessen Umgebung gefiel uns. So entschieden wir uns, nochmals ein paar Kilometer zurückzufahren und ein paar Tage am Meer zu verweilen. Wir genossen das türkisfarbene Meer, das Korallenriff und den friedlichen Blick auf die bergige Küstenregion Ägyptens auf der gegenüberliegenden und die Ausläufer Israels auf der rechten Seite. Und doch war es da, dieses spezielle, schwer einzuordnende Gefühl: Keine 200 km Luftlinie von uns entfernt befand sich der Gazastreifen, welcher zur gleichen Zeit im Krieg und Chaos zu versinken droht(e). Hmmm… Leider wurde aus unserem unguten Gefühl bitterer Ernst, denn in der ersten Nacht hörten wir Granatfeuer, Kampfjets und Bombendetonationen. Das mit eigenen Ohren zu hören, lässt einem das Blut in den Adern gefrieren. Uns reichte diese eine Erfahrung aus sicherer Distanz. Wir fragen uns: Wie können Menschen, welche täglich bei Leib und Leben bedroht sind, diese brachiale Geräuschkulisse und kriegerische Situation aushalten? Wie, um alles in der Welt, sind solche grässlichen Kriege heute immer noch möglich? All das passt nicht zu der Herzlichkeit der Menschen, welche wir überall auf unserer bisherigen Reise antreffen durften. Die Gründe (oder Wahnvorstellungen) sind wohl immer noch die gleichen, wie damals, als sich die Menschen noch mit Keulen die Köpfe einschlugen, nur sollte man(n) es heute doch besser wissen?!Themenwechsel: Früher als geplant verliessen wir die Küste und machten uns auf ins Wadi Rum. Eine spektakuläre Wüstenlandschaft mit rotem Sand und wunderschönen Felsformationen erwartete uns. Hier wurden Hollywood-Blockbuster wie «Der Marsianer» oder «Star Wars» gedreht. Für uns war nun Offroad-Spass angesagt und wir kurvten einen Tag kreuz und quer durch das ausgedehnte Gebiet. Gegen Abend liessen wir uns in der Nähe eines der zahlreichen, touristischen Wüstencamps nieder und genossen die Aussicht auf die einmalige Landschaft. Es ging nicht lange, bis eine Beduinenfrau den Hügel hinaufstampfte und uns um Hilfe bat. Ihr Sohn (knapp 14-jährig) hatte ihren Toyota ein Stück weiter unten im Sand festgefahren. Natürlich eilten wir ihr zu Hilfe und zogen den Wagen aus dem Schlamassel. Ihrer Familie gehörte das Wüstencamp nebenan und so lud sie uns zu Tee und einem leckeren Nachtessen inklusive Trommelmusik, Gesang und Wüstenfeuer ein. So verbrachten wir einen geselligen Abend, anstelle der geplanten Wüstenromantik😊.Am folgenden Tag liessen wir die Wüste hinter uns und fuhren durch eine ansprechende, hügelige Landschaft zu unserem nächsten Etappenziel «Petra». Die unzähligen, in Stein gehauenen Grabstätten, Häuser und Klöster zählen zu den «sieben neuen Weltwunder», sind natürlich UNESCO Weltkulturerbe und das unangefochtene Touristenhighlight Jordaniens. Vom Eingang der Anlage einem ca. 2 km langen Weg folgend, marschiert man durch eine imposante Schlucht und steht plötzlich vor dem beeindruckenden «Schatzhaus». Dieses erlangte, nicht zuletzt wegen des Hollywood-Streifens «Indiana Jones und der letzte Kreuzzug», Weltbekanntheit. Wir verbrachten zwei Tage damit, einen Grossteil des Gebietes zu besuchen und wanderten dabei unzählige Kilometer. Frühmorgens um 6 Uhr waren wir jeweils fast allein unterwegs und genossen diese einmalige Stimmung. Schön war auch, dass wir auf dem dazugehörenden Parkplatz auf andere Overlander-Reisende trafen. Drei Familien mit unterschiedlichen Reisemobilen und Reiserouten, aber alle auf dem Rückweg nach Frankreich. Wir tauschten Geschichten und Erlebnisse aus, lachten viel und genossen gesellige Stunden innerhalb unserer internationalen «Wagenburg». Die Chemie passte und so trafen wir die drei auch an weiteren Reisetagen, respektive Abenden wieder, um die Zeit gemeinsam zu verbringen. Nach «Petra» ging die Reise weiter an das Tote Meer. Zu dem auf 430 Meter unter dem Meeresspiegel liegenden und somit tiefsten Punkt der Erde. Ein Bad in, oder besser gesagt, auf der sich ölig anfühlenden Salzflüssigkeit ist ein herrliches Erlebnis. Anscheinend ertrinken auch im Toten Meer immer wieder Badegäste. Da man, einmal im Wasser liegend, wie eine Luftmatratze auf der Wasseroberfläche treibt, ist es uns ein Rätsel, wie man das überhaupt schafft. Etwas oberhalb auf einer Anhöhe fanden wir danach einen schönen Übernachtungsspot mit direktem Blick auf die gegenüberliegende israelische Seite, nach Jerusalem, Bethlehem und Jericho. Wohlklingende Namen und Städte, welche sicherlich einen Besuch wert wären. Doch die derzeitige Situation hielt uns alle davon ab. Anstelle dessen besuchten wir am folgenden Tag die Sehenswürdigkeiten der nächstgelegenen Stadt Madaba und fuhren weiter nach Jerash. Dort fanden wir, zuoberst auf einem Hügel liegend, einen weiteren herrlichen Übernachtungsplatz. Olivenbäume und kleine Dörfer, soweit das Auge reicht. Ein überraschendes Landschaftsbild, welches uns doch sehr an Gebiete in Italien oder Frankreich erinnerte. In Jerash können in einer weitläufigen Anlage antike Gebäude aus der Römerzeit besucht werden. Manche sind dabei über 2'000 Jahre alt und mit entsprechender Fantasie kann man sich das Leben und Treiben in dessen Blütezeit sehr gut vorstellen. Da mit uns auch viele Schulklassen anwesend waren, interessierten sich die Teenies teilweise mehr für uns, als für die alten Steinblöcke. Nach unzähligen Selfies und Interviews erholten wir uns später im Schatten unseres Ländi’s vom erlebten Andrang. Danach verzogen wir uns wieder auf den gleichen Platz, um nochmals eine ruhige Nacht zu verbringen. Leider wurde daraus nichts: Um 23.30 Uhr weckte uns die Tourist-Police und erklärte uns, dass es hier nicht sicher sei. Was genau das Sicherheitsproblem sei, wollten wir wissen, bekamen aber keine schlüssige Antwort. Alles Lamentieren half nichts und so mussten wir inmitten der Nacht unser Zeugs zusammenpacken und dem mit Blaulicht vorausfahrenden Polizeiauto zurück in die Stadt folgen. Wir verbrachten den Rest der Nacht auf dem Parkplatz des Tourismusbüros, in Sicherheit von…. ähmmm, keine Ahnung😊 Mehr oder weniger ausgeruht machten wir nochmals einen Abstecher ins Tal, wir wollten den Fluss Jordan besuchen. Aber auch dieses Vorhaben konnten wir nicht in die Tat umsetzen. Kurz vor dem Erblicken des Gewässers wurden wir nämlich von einem Einheimischen gestoppt. Der Grenzfluss zwischen Jordanien und Israel sei Sperrgebiet, also kein Durchkommen. Ok, dann halt nicht. Anstelle dessen machten wir uns auf in die Hauptstadt Amman, in welcher wir uns nochmals ein paar Sehenswürdigkeiten anschauten und Glace schleckend durch die Gassen schlenderten. Eigentlich wollten wir länger in Jordanien bleiben und weitere Orte besuchen. Ein paar Vorkommnisse mit den Gesetzeshütern (eigentlich meinten sie es ja nur wohlwollend) und die unterschwellig belastende Situation im benachbarten Israel veranlassten uns aber dazu, es gut sein zu lassen. Wir entschieden, uns den drei anderen Reise-Familien anzuhängen und mit ihnen die Grenzüberquerung zum Irak zu absolvieren. Die über 300 km lange Strecke von Amman bis an die jordanisch/irakische Grenze ist an Ödheit kaum zu überbieten. Nur die Farbe der Steine ändert sich manchmal in dieser unendlich scheinenden Steinwüste. Wir übernachteten irgendwo im nirgendwo und fuhren am nächsten Morgen an die Grenze. Online-Recherchen über das bevorstehende Prozedere warnten davor, dass es wohl etwas mühsam und zeitintensiv werden würde. Für uns war es die 19. Grenzüberquerung (ohne die Europäischen mitzuzählen) und was sich in den folgenden Stunden abspielte, war an Desorganisation und Chaos kaum zu überbieten (das schafften nicht einmal die Chinesen). Schon die Ausreise aus Jordanien dauerte über 2 Stunden. Danach fing das Schauspiel aber erst richtig an. Wir latschten von Pontius zu Pilatus und wieder zurück. Wurden von einem Beamten zum nächsten Geschickt, um von diesem achselzuckend wieder zurück auf Feld 1 gesendet zu werden. Der Tag neigte sich dem Ende entgegen und wir schafften es gerade mal, die Fahrzeugpapiere für die Einreise fertig gestempelt zu haben. Unsere Visa wurden auf den nächsten Morgen versprochen und so nächtigten wir auf dem «schicken» Grenzareal. Am nächsten Morgen ging es im gleichen Takt weiter und es dauerte weitere Stunden, bis wir unsere Visa endlich im Pass und das «Go» für die Einreise hatten. Erleichtert fuhren wir zum letzten Kontrollposten. Doch die Freude weilte nur kurz: Der mürrische Beamte machte uns klar, dass bei den Fahrern ein Stempel im Pass fehle und wir nochmals zurückmüssten. Das war dann zu viel des (un)Guten und mir platzte der Kragen. Wir düsten zurück und ich machte dem verdutzten Beamten klar, dass er ver…..nochmal seinen Job machen und diesen dämlichen Stempel in den Pass drücken solle. Er schien zu verstehen und führte diese unglaublich komplizierte Handbewegung auch noch aus. Nach über 24 Stunden öffnete sich der letzte Schlagbaum und wir reisten in den Irak ein – was für eine Story😊 Nun waren wir also in dem Land, wo eigentlich niemand hinwill. Zu gross ist die Hypothek, die der Irak mit sich trägt. Hört man Städtenamen wie Bagdad, Mossul oder Kirkuk kommen unweigerlich Bilder von amerikanischen Soldaten, Bombenattentaten und Saddam Hussein hoch. Wie präsentiert sich das Land also heute? Auf den ersten 570 km von der Grenze bis nach Bagdad dominierte eigentlich nur eines: Militärpräsenz. Die Region gilt als sicheres Krisengebiet und so werden Reisende auf einem Grossteil der Strecke durch ein Militärfahrzeug eskortiert. Ähnlich wie in Pakistan, einfach noch etwas mühsamer. Die Eskorte wechselte teilweise alle 5 km. Zusammen mit dem Umstand, dass die Militärs vor der Weiterfahrt jeweils unzählige Selfies und Fotos machten, liess uns stark an der tatsächlichen Notwendigkeit dieses Eskort-Services zweifeln. So dauerte die Fahrt ewig und wir erreichten unser Ziel Bagdad erst am Abend des zweiten Tages. Befreit von der Eskorte steuerten wir einen Parkplatz eines grossen Einkaufscenters inmitten der Stadt an. In den von uns besuchten Teilen präsentierte sich Bagdad als normal wirkende Grossstadt. Moderne Einkaufscenter, Restaurants, geschäftiges Treiben. Zumindest hier erinnert nichts an die dunkle Vergangenheit. Da die Temperatur tagsüber bereits 38°C erreichte, entschieden wir uns, die Millionenstadt am nächsten Tag wieder in Richtung Norden zu verlassen. Gesagt, getan. Zusammen mit Jane, Didier & ihren 3 Kids fuhren wir via Tikrit und Kirkuk nach Erbil. An unzähligen Militär-Checkpoints wurden unsere Pässe geprüft und uns mit einem freundlichen Lächeln die Weiterfahrt gewährt. Ab Kirkuk wurde die Landschaft bergiger und endlich wieder etwas grüner. Die Fahrt wurde somit abwechslungsreicher und gut gelaunt erreichten wir kurze Zeit später Erbil, die Hauptstadt der autonomen Region Kurdistan. In der aufgeräumten und sauberen Stadt gönnten wir uns ein Hotel, um wieder einmal ausgiebig zu Duschen und uns vom Staub der vergangenen Tage befreien zu können. Frisch gestriegelt mischten wir uns danach unters Volk, besuchten den Markt und genossen ein paar leckere Schaschlik-Spiesse in einem schönen Restaurant. Tja, und das war es dann auch schon mit unserem Irak-Aufenthalt. Wir fuhren nämlich am nächsten Tag bereits an die irakisch/türkische Grenze und überquerten diese (oh Wunder) innerhalb von 2 Stunden. Gerne würden wir eines Tages mehr vom Irak und dessen Region Kurdistan sehen. Das Land und dessen Menschen haben definitiv Besseres zu bieten, als die düsteren Bilder der Vergangenheit in unseren Köpfen. Aufgrund der unstabilen Lage in all den umliegenden Ländern war es für uns alle in diesem Moment aber eine Erleichterung, in der Türkei zu sein.