Wir verliessen unseren herrlichen Platz am Van-See und machten einen Abstecher zum Vulkankrater Nemrut Dagi. Die steile Fahrt auf den Kraterrand wurde belohnt mir einer grandiosen Aussicht auf den Van-See und die umliegenden Berge auf der einen und den Blick in das Kraterinnere auf der anderen Seite. Speziell ist, dass man tatsächlich auch den Kratergrund mit dem Fahrzeug erkunden kann. Die Tour bot neben etwas Offroad-Vergnügen und der imposanten Kraterkulisse auch ein erfrischendes Bad im azur-blauen Kratersee.
Die nachfolgenden Tage fuhren wir westwärts via Mus und Erzincan durch saftig grüne Täler. Immer dem Fluss Euphrat folgend ging unsere Reise weiter durch den abenteuerlichen Dark Canyon, vorbei an Kemaliye und Arapgir bis runter nach Malatya. Wir waren mehr als entzückt von diesem abwechslungsreichen Streckenabschnitt und den genialen, meist einsamen Übernachtungsspots. Nach einem Zwischenstopp in der schönen Stadt Gaziantep war es nur noch ein Katzensprung bis ans Mittelmeer, welches wir in Mersin zum ersten Mal wieder zu sehen bekamen. Es war Zeit für eine ausgiebige Pause und im kleinen Ort Kizkalesi (was für ein wohlklingender Name) fanden wir einen passenden Spot direkt am Meer. Der Ländi wurde eine Woche gar nicht und unsere Knochen nur für das Notwendigste bewegt. Wir genossen wieder einmal das Nichtstun und das Baden im Meer, was für eine Wohltat.
Da zur besagten Zeit Feiertage in der Türkei waren, füllte sich der Ort, die Parkplätze und die Strassen mit Einheimischen. Am Strand, auf Trottoirs oder zu viert im Auto: Überall wurde gecampt und geschlafen und bald gab es keinen freien Platz mehr. Da die Türken unter der für uns unvorstellbaren Inflation von über 70 % (!) leiden, ist es nicht verwunderlich, dass sich viele auch kein Hotelzimmer mehr leisten können. Den Ausflug mit der Familie und die Freude am Leben lassen sich die Menschen aber nicht nehmen, zumindest das war ein Aufsteller für uns.
Das Meer hatte es uns angetan und so entschieden wir, den Rest der Türkeistrecke der Küste folgend zu absolvieren. Die Entscheidung war goldrichtig. Wir genossen die kurvenreichen Küstenstrassen, die abwechslungsreiche Landschaft, die belebten Städtchen, das Meer sowie das prächtige Sommerwetter. Meistens fanden wir auf Anhieb einen schönen Übernachtungsplatz und in den grösseren Städten oder Touri-Hotspots wie Alanya und Antalya wurden wir jeweils ausserhalb fündig. So vergingen die Wochen und weitere 1'500 km später erreichten wir die Stadt Canakkale. Für uns ein spezieller Moment, da wir hier mit der Fähre übersetzten, Asien somit verliessen und unsere Füsse nach langer Zeit wieder einmal auf den europäischen Kontinent setzten. Etwas widerwillig verliessen wir das Meer und fuhren in die Stadt Edirne. Wir hatten unseren ursprünglichen Plan, griechischen Wein in einer netten Taverne vor Ort zu verköstigen, schon länger gekippt und uns anstelle dessen für eine Inlandroute durch Bulgarien und Rumänien entschieden. Doch schon in Edirne fehlte uns der Salzgeruch in der Luft. Also fassten wir noch am selben Abend den Entschluss, zwar nach Bulgarien, aber zuerst nochmal ans Schwarze Meer zu fahren. Schon cool, diese Flexibilität😊
Nach fast 7 Wochen verliessen wir die Türkei. Einmal mehr dankbar für das Erlebte und all die wunderschönen Begegnungen mit den Einheimischen und den Reisenden.
Die Einreise nach Bulgarien und somit nach Europa war ein Kinderspiel, denn ein so organisierter Ablauf war definitiv ungewohnt für uns. Aufgrund der unmöglich einzuhaltenden Geschwindigkeitsbegrenzungen in der Türkei hatte ich bereits eine Rückstellung für meine zahlreichen Vergehen gemacht und am Zoll mussten wir dann tatsächlich unsere Kreditkarte zücken: CHF 1.20 für eine übersehene Mautstrasse lautete das Verdikt (ok, damit konnten wir leben😉).
Schuldenfrei und beschwingt steuerten wir den kleinen Ferienort Kiten an. Wir trafen uns da ein weiteres Mal mit der Familie Krüger, um den fünften Geburtstag von Gustav mitzufeiern. Nach leckerem Kuchen und zwei schönen Tagen packten wir unsere sieben Sachen und cruisten weiter entlang der Schwarzmeerküste via Burgas und Warna in das Örtchen Tyulenovo. Wir hatten uns da mit Bea & Andreas verabredet. Die beiden Schweizer haben wir am Van-See kennen und schätzen gelernt und so verbrachten wir zwei weitere unterhaltsame Tage mit ihnen. Danach verliessen wir Bulgarien bereits wieder. Was wir bislang davon gesehen hatten, gefiel uns zwar, aber wir wollten noch etwas mehr Meer. Weitere Bulgarien-Abenteuer müssen also vorerst hintenanstehen.
Die Einreise nach Rumänien war noch simpler als diejenige zuvor – Europa sei Dank. Wir waren gespannt, was uns in diesem für uns komplett unbekannten Land tatsächlich erwarten würde. Wir hatten uns im Vorfeld nicht wirklich eingelesen und unsere Vorstellung war in etwa diese: Vorherrschend schlichte Behausungen, schlechte Strassenverhältnisse und Infrastruktur, mehr Pferdekutschen als Autos auf den Strassen, vor dem Verlassen des Fahrzeuges lieber zweimal prüfen, ob dieses auch wirklich abgeschlossen ist (wenn’d weisch wa ni mein😉). Und natürlich wurden wir wieder einmal eines Besseren belehrt. Schon auf dem Weg in die Küstenstadt Konstanza waren uns unsere Bilder im Kopf peinlich. Wir fuhren auf guten Strassen, vorbei an gepflegten Häusern und Gärten und überall herrschte geschäftiges Treiben. Nördlich der Stadt suchten wir uns nochmals einen schönen Strandplatz um uns gebührend vom Meer zu verabschieden. Diesmal war es Tatsache: Wir verliessen das Meer und fuhren mit Zwischenhalt in Bukarest und Übernachtung in Magureni zur Stadt Brasov. Unterwegs lasen wir nun viel über die Geschichte Transsilvaniens, respektive Siebenbürgens. Dem Gebiet im Zentrum Rumäniens, welches bekannt ist für mittelalterliche Städte, Burgen und Schlösser und in welchem noch heute teilweise Deutsch gesprochen wird.
Die Altstadt Brasov’s mit den schmucken Häuserfassaden und netten Restaurants gefiel uns sehr. Danach ging es endlich wieder einmal in die Berge. Die Karpaten erwarteten uns mit den kurvenreichen Passstrassen Transfagarasan und Transalpina. In Kombination mit einem coolen Offroad-Abstecher inmitten der herrlichen Bergwelt ergaben sich unvergessliche Tage für uns. Während den Tagen in den Bergen kamen wir zufällig mit den Wienern Ina, Dieter und den Kindern Brix und Erin ins Gespräch. Dieter ist in der Gegend aufgewachsen und besitzt ein Ferienhaus im Örtchen Orlat. Wieder einmal durften wir einer spontanen Einladung folgen und die Familie in ihrem Ferienhaus besuchen. Herzlichen Dank für die Gastfreundschaft, die unterhaltsamen Stunden und den leckeren Speck😊. Anschliessend fuhren wir nach Sibiu (oder auch Hermannstadt). Dort schauten wir uns das Prolog-Rennen des Enduro-Spektakels «Redbull Romaniacs» an. Benzin in der Luft, Bier in der Hand, relaxte Stimmung und jede Menge Action – was für eine willkommene Abwechslung.
Es ging Schlag auf Schlag, denn danach folgte ein weiteres Highlight: Wir trafen uns in der Nähe von Mühlbach mit dem Kandier Matthieu, welchen wir in Goa, Indien kennengelernt und zuletzt gesehen hatten. Er ist seit ein paar Monaten mit seinem Motorrad in Europa unterwegs und war rein zufällig zur gleichen Zeit in Rumänien unterwegs. Dank Socialmedia kam es zu diesem schönen Wiedersehen (das moderne Zeugs ist also doch für was gut😉). Unsere Wege trennten sich wieder und wir schauten uns als Nächstes die eindrückliche Salzmine in Turda an. Diese wurde während dem zweiten Weltkrieg stillgelegt und dient heute als Museum. Schier unglaublich, was zu dieser Zeit während rund 80 Jahren Salzabbau untertags geleistet wurde.
Nach einem Stopp in der gemütlichen Stadt Cluj-Napoca befinden wir uns nun ganz im Nordwesten Rumäniens. Zur ungarischen sowie ukrainischen Grenze sind es keine 20 Kilometer. Wir stehen an einem Fluss, die Natur ist saftig grün, es herrscht eine friedliche Ruhe. Rumänien, wie hast du uns mit deiner Natur, den genialen Wildcamp-Spots, den Sehenswürdigkeiten und der Gastfreundschaft überrascht. Bestimmt werden wir dich wieder einmal besuchen, um noch mehr von dir zu sehen.
Wir wollten ab der Türkei einen Gang runterschalten und die verbleibende Zeit bewusst geniessen.
Unser Vorhaben FERIEN ist gelungen:
F = Freizeit (mehr freie Zeit, weniger Organisation)
E = Entdecken (aber nicht mehr jeden Stein umdrehen)
R = Relaxen
I = Innehalten (und all das Erlebte verarbeiten)
E = Entspannen (denn der komplizierte Teil ist definitiv vorbei)
N = Nichtstun (darf auch mal sein)
Nun steht die letzte Etappe unserer Reise vor der Tür. Wir nähern uns langsam aber (un)sicher der Heimat Schweiz. Vorfreude mischt sich mit Wehmut, unsere Gefühle einzuordnen fällt schwer. Aber wie immer freuen wir uns auf das, was auf uns zukommt …. und noch liegen ja ein paar Kilometer Asphalt vor uns😊!
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