Föumriif

Veröffentlicht am 17. Februar 2024 um 09:45

Die letzten 3 Reisewochen durch Pakistan und Iran waren intensiv und gespickt mit Momenten, welche eine gute Vorlage für einen spannenden Film oder eine interessante Doku abgegeben hätte. Es fing schon mit dem Grenzübertritt von Indien nach Pakistan an. Da sich die beiden Länder seit deren Trennung 1947 so gar nicht leiden können, zählt die rund 3'000 km lange gemeinsame Grenze zur Hochsicherheitszone. Die ganze Grenzlinie ist nachts beleuchtet und sogar aus dem Weltall zu sehen. Für Ausländer gibt es nur eine einzige passierbare Grenzstelle, die Wagah-Border. Hier findet jeden Tag um 16 Uhr eine Grenzschliessungszeremonie statt. Wobei Zeremonie eine masslose Untertreibung ist, es ist ein einzigartiges Spektakel. Auf der indischen Seite steht hierfür ein Stadion, in dem mehrere tausend Zuschauer Platz finden. Auf der pakistanischen Seite ist das Ganze etwas kleiner, aber ebenso ohrenbetäubend. Nach der Zollabfertigung auf der indischen Seite fuhren wir mutterseelenalleine durch dieses Stadion, vorbei am extra für uns geöffneten Grenztor rüber nach Pakistan. Hier wurden wir in eine dunkle Abfertigungshalle geführt. Licht gab es keines und es war arschkalt. Eine Szenerie wie aus einem Spionagethriller, Willkommensfreude kam bei uns auf jeden Fall keine auf. Die Abwicklung war dann aber mehr oder weniger problemlos und so machten wir uns auf in das nächstgelegene Dorf. Schon auf den ersten Metern fiel uns auf, dass die Menschen in Pakistan in noch einfacheren Verhältnissen Leben als im Norden Indiens. Eselkarren, zerbeulte Autos und simple Behausungen dominierten das Strassenbild. Wir warteten ein paar Stunden und fuhren danach zurück an die Grenze, um uns das tägliche Theater anzuschauen. Wirklich ein Schauspiel sondergleichen.
Am nächsten Morgen machten wir uns auf nach Sheikhupura zum Haus von Hussain. Hussain hat es sich zum Hobby gemacht, Overlander-Reisende in Pakistan zu unterstützen und zu beherbergen und so durften wir ein paar Tage seine Gastfreundschaft in Anspruch nehmen. Mit uns traf auch noch eine illustre Reisegruppe, bestehend aus zwei spanischen und einem deutschen Paar mit ihren Trucks, ein. Der Austausch mit den anderen Reisenden und die geselligen Abende taten richtig gut. Wir erkundeten zusammen auch die Stadt Lahore. Hierbei ereignete sich eine weitere filmreife Szene: Da es in Pakistan (wie auch im Iran) offiziell nicht erlaubt ist Alkohol zu kaufen und zu konsumieren, gibt es dafür natürlich einen Schwarzmarkt. Und so eine Adresse steuerte unser Taxifahrer am Abend an. In der Lagerhalle im Hinterhof eines Hotels solle man sich bei einer gewissen Person melden. Gesagt, getan. Nach mehrmaligem Klopfen an eine Stahltüre wurde diese geöffnet und uns durch das Erwähnen des Namens Einlass gewährt. Welcome to gangster’s paradise😊
In der Region um Lahore war es zu dieser Zeit wettertechnisch sehr ungemütlich. Die Temperaturen stiegen kaum über 10 Grad und es herrschte den ganzen Tag dichter Nebel. Diese Kälte wurde aber immer wieder durch die Wärme und Herzlichkeit der Menschen erwärmt und wir fühlten uns langsam wohl in unserem neuen Reiseland. Nach fünf Tagen verabschiedeten wir uns von Hussain und den anderen Reisenden und machten uns auf in Richtung Süden. Hierbei gab es für uns eigentlich nur eine Reiseroute, wollten wir nicht allzu früh in den Genuss einer Polizeieskorte kommen. Ja, das erwartet ausländische Reisende, wenn man in Pakistan in Richtung Iran (oder umgekehrt) unterwegs ist und somit durch die Krisenregion Belutschistan fährt. So fuhren wir also auf dem pikfeinen, von den Chinesen gebauten National-Motorway die rund 750 km runter bis nach Sukkur. Nach einer ruhigen Nacht auf einer Autobahnraststätte ging unsere Fahrt weiter bis nach Sibi, wo wir uns freiwillig auf der Polizeistation meldeten, um die Nacht da zu verbringen. Da wir wussten, dass der «Eskortservice» spätestens ab Sibi starten würde, machten wir uns gar nicht erst die Mühe, eine andere Übernachtungsmöglichkeit zu suchen. So verbrachten wir also eine erste Nacht in Polizeigewahrsam. Ab dem nächsten Tag fuhren wir dann für die nächsten 800 km und 3 Tage in ständiger Polizeibegleitung: Ob als Motorrad mit 40 km/h, als Pickup mit Blaulicht oder als ganz normales Auto, alle paar Kilometer wechselte die Form unsere Eskorte. Ging es uns zu langsam, überholten wir unsere Begleiter auch mal, was diese mit einem erneuten Überholungsmanöver quittierten und es danach zumindest ein paar Kilometer etwas schneller vorwärtsging. Manchmal dauerte die Übergabe 10 Minuten oder wir hielten an, so dass einer der Polizisten seinem Gebet nachkommen konnte. Das waren dann die Momente, an denen wir an der Sinnhaftigkeit dieser ganzen Aktion zweifelten😉. Sowieso hätte es während dieser Tage wieder einiges an gutem Filmmaterial gegeben. Wir wurden aber immer zuvorkommend behandelt, erlebten auch hier viel Gastfreundschaft und gewöhnten uns sogar an die stets sichtbaren und griffbereiten AK-47 Sturmgewehre. Mit dem Erreichen der Grenze zum Iran in Taftan waren unsere 10 Tage in Pakistan bereits Geschichte. Gerne hätten wir mehr von diesem Land mit seinen herzlichen Menschen gesehen. Für den landschaftlich schöneren Norden war es aber die falsche Jahreszeit und im Süden macht das Reisen aufgrund der beschriebenen Situation nur bedingt Freude.

Wir verabschiedeten uns von Pakistan und überquerten die Grenze zum Iran. Ein völlig undurchsichtiges Einreiseprozedere erwartete uns. Ohne die Hilfe von Hamid, dem selbsternannten «King of Taftan Border» hätte die Einreise wohl noch länger als die gebrauchten 5 Stunden gedauert. Wir gingen von Ponzius zu Pilatus und wieder zurück und sahen endlich mal, für was Jacken-Innentaschen eigentlich gebraucht werden: In einem der Büros nahmen drei Beamte die Papiere der vorbeifahrenden LKW-Fahrer entgegen. In jedem der überreichten Umschläge befanden sich Geldscheine, welche sogleich den Weg in die Jackentaschen der Beamten fanden. Dafür gab’s dann den notwendigen Stempel auf die Papiere – aha, so geht das☹.
Nun standen wir also im Iran und Tamara freundete sich widerwillig mit der Kopftuchpflicht an. Wir waren skeptisch, hörten von sämtlichen Reisenden aber nur von positiven Erlebnissen aus diesem Land. Es war an der Zeit, uns selbst ein Bild davon zu machen.
Wir fuhren in die nächstgelegene Stadt Zahedan, um Geld und Sim-Karten zu besorgen. Wir steuerten ein Café in der Innenstadt an und waren erstaunt darüber, durch eine sehr moderne Stadt zu fahren. Irgendwie hatten wir etwas anderes erwartet und wie schon so oft stimmte unsere Vorstellung nicht mit der Realität überein. Im Café angekommen sprach uns Meysam an. Ohne zu fragen, bot er uns seine Hilfe an und marschierte mit uns durch die Stadt, um die Besorgungen zu machen. Innerhalb kurzer Zeit hatten wir die Sim-Karten in unseren Handis und waren stolze Besitzer von 60 Mio. Iranischen Rial (entspricht 100 Euro). Die iranische Währung zu verstehen, machte uns anfänglich Kopfzerbrechen: Banknoten sind in der alten Form «Rial» angeschrieben, offiziell heisst die Währung aber «Toman». 1 Mio. Rial entsprechen 100'000 Toman, was aber durch 100 Toman abgekürzt wird. Hört sich kompliziert an und ist es im täglichen Gebrauch auch oft. Wir mussten meistens diverse Male nachfragen, bis wir wussten, wie viele Rial wir nun hinzublättern hatten.
Während dem gemeinsamen Nachtessen mit Meysam und seiner Partnerin erhielten wir diverse Tipps für unsere Reiseroute in den Süden. Glücklich machten wir uns danach auf zu unserem ersten Schlafplatz in einer grosszügigen Parkanlage ausserhalb der Stadt. Solche Anlagen trifft man überall an und die Iraner lieben es zu picknicken. Wir folgten am nächsten Tag den erhaltenen Reisetipps und fuhren auf sehr guten Strassen via Iranschahr nach Zeyar Jah. Wir fanden hier ein lauschiges Plätzchen auf einer Anhöhe im trockenen Flussbett und wollten zum Nachtessen übergehen, als es zu regnen begann. Regen & Flussbett…. Hmmm, ein neuer Schlafplatz musste her und ein paar Meter weiter vor dem Dorf wurden wir bereits fündig. Ca. um Mitternacht, wir lagen bereits schlafend im Bett, klopften Einheimische an unsere Tür und machten uns klar, dass es hier für uns zu gefährlich sei und wir Platz bei Ihnen zuhause im Vorhof hätten (was nun wirklich das Problem war, fanden wir nicht heraus). Unsere Überzeugungskünste halfen nichts und wir mussten nochmals zusammenpacken, um ihnen nachzufahren. Dort angekommen schafften wir es dann zumindest, die Einladung zum Tee abzuwimmeln. Wir wollten uns endlich wieder hinlegen, da hörten wir ein altbekanntes Pfeifgeräusch, vom Pneu hinten rechts kommend. Jetzt hatten wir doch tatsächlich auf der Hofeinfahrt einen rostigen Nagel erwischt. Judihui, nun war auch noch ein Radwechsel mitten in der Nacht angesagt. Unsere Gastgeber bekamen wohl mein Gefluche mit, zumindest versammelten sie sich in Windeseile um unser Fahrzeug und packten tatkräftig mit an. In Kürze war unser Reserverad montiert und wir lagen todmüde aber mit einem Schmunzeln in den Federn. Was für ne Story😊 Am Folgetag ging es für uns weiter durch die karge, aber bergige Landschaft bis ganz runter an die Südostküste. Die letzten 50 km führten uns über eine Staubpiste quer durch eine Wüstenlandschaft mit skurrilen Felsformationen, wir wähnten uns ein erstes Mal wie auf dem Mond. Ebenso spektakulär war der Blick von der Klippe direkt auf den blauen Golf von Oman, welcher urplötzlich vor uns lag. Tief beeindruckt von der Landschaft, dem Meer und der Ruhe genossen wir die folgenden Reisetage entlang der Küste via Jask und Minab nach Bandar Abbas. Einmal mehr beeindruckte uns auch die Gastfreundschaft und Herzlichkeit der Iraner. Stets interessiert aber weitaus zurückhaltender als beispielsweise die Inder wurden wir zu Tee eingeladen, erhielten im Laden Brot oder Kuchen geschenkt und füllten sogar unseren Dieseltank gratis. Wobei dieser im Iran mit ca. 0.01 CHF eigentlich eh umsonst ist.
In der Stadt Bandar Abbas angekommen machten wir uns an die Organisation der Fähre rüber nach Dubai. Ein teurer und aufwändiger Spass, trotzdem machte diese Variante für uns mehr Sinn als der Landweg via Irak, Kuwait und Saudi-Arabien (das könnte evtl. unser Rückweg in die Türkei werden?). Nach 3 Tagen in der modernen City Bandar Abbas mit ihrer schönen Strandpromenade war es Zeit unserem Ländi «Adieu» zu sagen. Wir durchliefen ein ähnlich kompliziertes Zollprozedere wie schon bei der Einreise und verluden den Ländi schliesslich auf die Fähre. Da die preiswerte Passagierfähre oft kurzfristig gecancelt wird, war uns dies zu unsicher. Wir buchten für den gleichen Abend einen Flug nach Dubai und begaben uns an den Flughafen.
Auch im Iran verbrachten wir lediglich 10 Tage und so haben wir nur einen Bruchteil dessen gesehen, was dieses riesige Land noch zu bieten hätte. Trotzdem bekamen wir einen landschaftlichen Eindruck und Einblick in den Alltag der Menschen. Vom spärlichen Land- bis zum hippen Stadtleben ist alles anzutreffen. Ebenso sieht man Vollverschleierung, wie auch mutige Frauen ohne Kopftuch auf offener Strasse. Wir möchten die Reiseerfahrung «Iran» nicht missen und haben uns zu jeder Zeit sicher und willkommen gefühlt in diesem Land. Trotzdem: Wir konnten die Kopftuchpflicht und die schwierige Situation für die lokale Bevölkerung nie ganz ausblenden, was unsere Reisefreude etwas trübte.
Aber es tut sich was im Iran – und das ist gut so!

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Familie Fellmann
Vor einem Jahr

Immer wieder sehr spannend & interessant von euren Erlebnissen zu lesen.
Liebe Grüsse aus Triengen
Ralph, Katrin, Emma & Gian

Andrea Haag
Vor einem Jahr

Super spannend Eure Reiseberichte, immer gut dokumentiert, so bekommt man fast das Gefühl dabei zu sein. 🙂 weierhin viele neue Eindrücke. Liebe Grüsse, Andrea